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Teambuilding

Mit zunehmender Komplexität gewinnen das Team und die Verflechtung von Teammitgliedern an Bedeutung, da ein oder mehrere Einzelkämpfer dieser ?Komplexität normalerweise nicht ausreichend gerecht werden können. Psychologe Prof. Dr. Hans-Dieter Hermann, Mentalcoach der Deutschen Fußballnationalmannschaft

Der Psychologe Prof. Dr. Hans-Dieter Hermann betreut seit vielen Jahren deutsche und internationale Spitzenmannschaften sportpsychologisch. Unter anderem ist er seit 2004 Mentalcoach der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Für A·network erläutert Prof. Dr. Hermann, was Unternehmen von Mannschaften aus dem Spitzensport lernen können – und umgekehrt.

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Welche Bedeutung haben Teams für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens?

Wenn wir die heutige Unternehmensrealität betrachten, wird klar, dass bei den meisten die Komplexität von Dienstleistungen und Produkten mehr und mehr zunimmt. Das gilt in aller Regel auch für die dahinter stehenden Prozesse und Strukturen. Und mit zunehmender Komplexität gewinnen auch das Team und die Verflechtung von Teammitgliedern an Bedeutung, da ein oder mehrere Einzelkämpfer dieser Komplexität normalerweise nicht ausreichend gerecht werden können. Bei großen Projekten muss dabei auch die Verflechtung von Teams untereinander, also Schnittstellen, Abhängigkeiten usw. berücksichtigt werden. Teams haben deshalb nicht zuletzt auch in ihrer Interaktion mit anderen Teams eine zentrale Bedeutung.

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Was können Unternehmen über das Teambuilding von Mannschaften aus dem Spitzensport lernen?

Der Blick über den Tellerrand lohnt sich sicherlich in beide Richtungen. Denn auch in etlichen Sportmannschaften wird mehr über das Thema „Team“ gesprochen, als dass aktiv und zielgerichtet daran gearbeitet wird. Ich weiß, dass viele Unternehmen mittlerweile großen Wert auf den Teamaspekt legen. Dementsprechend genießt das sogenannte Teambuilding ebenfalls einen immer höheren Stellenwert.

Psychologe Prof. Dr. Hans-Dieter Hermann
Mentalcoach der Deutschen Fußballnationalmannschaft
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„Der eigentliche Prozess des Teambuildings und der weiteren Teamentwicklung muss – über die Teambuilding-Events hinaus – im beruflichen Alltag stattfinden und von Führungskräften klug und am besten auch unauffällig geleitet und begleitet werden.“

Psychologe Prof. Dr. Hans-Dieter Hermann
Mentalcoach der Deutschen Fußballnationalmannschaft
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Wann funktioniert ein Team besonders gut?

Für das Funktionieren eines Teams – abgebildet durch effektiven Output – sind äußerst viele Faktoren relevant, da ein Team in der Regel ein System mit Freiheitsgraden darstellt, das wiederum in ein anderes System mit Freiheitsgraden eingebettet ist. Im Sport ist das System „Mannschaft“ zum Beispiel in einen Verein eingebettet, in der Wirtschaft eine Arbeitsgruppe in eine Abteilung. Ein Team funktioniert dann besonders gut, wenn es als System gute Strukturen und Abläufe hat, die sich wiederum ins umgebende System gut einpassen bzw. mit ihm harmonieren.

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Bei der Planung solcher Maßnahmen sollte aber bedacht werden, dass die klassischen Teambuilding-Events im Normalfall nur den Ausgangspunkt einer Entwicklung darstellen können und sollen. Sie geben Ideen oder eröffnen neue Blickwinkel. Sie dienen zunächst vor allem der Kommunikationsoptimierung und dem Vertrauensaufbau. Aber der eigentliche Prozess des Teambuildings und der weiteren Teamentwicklung muss im beruflichen Alltag stattfinden und von Führungskräften klug und am besten auch unauffällig geleitet und begleitet werden. Dabei kann es wichtig sein, sich immer wieder ganz bewusst an Ergebnisse aus den Events zu erinnern und gegebenenfalls nachzujustieren.

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Wie kann der Einzelne davon profitieren?

Wenn das Team Erfolge erzielt, tut das in aller Regel auch der eigenen Reputation gut. Erfolgreiche Projekte bringen letztlich nicht nur das Unternehmen voran, sondern schmücken den Lebenslauf aller beteiligten Mitarbeiter und geben diesen so die Möglichkeit, auf sich und ihre Fähigkeiten aufmerksam zu machen. Abgesehen von dieser Außenwirkung bringt ein Team auch die Chance mit sich, die eigenen Kompetenzen durch das Wissen der anderen zu ergänzen und voranzubringen. Manchmal kann dabei sogar auch eine gesunde Form von Konkurrenz innerhalb eines Teams hilfreich sein.

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Aber um Ihre Frage auch konkret zu beantworten, möchte ich beispielhaft zwei Aspekte hervorheben, die in den meisten Teams eine zentrale Rolle spielen. Zum einen ist das die Aufgaben- und Zielorientierung, das heißt die Tatsache, dass die beteiligten Teammitglieder diese beiden Aspekte bei ihrer Tätigkeit und Rollenverteilung in den Vordergrund stellen. Das bedeutet im Zweifelsfall auch, das eigene Ego und die individuellen Ziele zugunsten der Teamleistung zurückzunehmen. Im Idealfall lässt sich natürlich beides kombinieren. Zum anderen spielt die Kompetenzerwartung eine wichtige Rolle, also die Erwartung des Teams an die kollektive Leistungsfähigkeit. Dahinter verbirgt sich das Vertrauen darauf, dass das Team den anstehenden Aufgaben gewachsen ist. Das hängt natürlich auch mit den Fähigkeiten der Fachkompetenz der Teammitglieder zusammen. Es hat aber auch viel mit der Qualität der sozialen Interaktion, einem gemeinsamen Geist, und gegenseitigem Vertrauen zu tun.

Psychologe Prof. Dr. Hans-Dieter Hermann
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„Mentale Stärke ist nichts, was man hat oder nicht hat. Mentale Stärke und Teamgeist sind entwickelbar. ?Wir unterstützen Hochleister im Sport und im Business“

Psychologe Prof. Dr. Hans-Dieter Hermann
Mentalcoach der Deutschen Fußballnationalmannschaft

Sind unsere Leader in den Unternehmen teamfähig? Kann Teamfähigkeit erlernt werden?

Die Frage klingt fast so, als ob Sie die Teamfähigkeit vieler Führungskräfte anzweifeln. Ich kann nur sagen, dass die meisten Führungskräfte, die ich kennengelernt habe bzw. mit denen ich zusammenarbeite, sehr wohl teamfähig sind und sich selbstkritisch mit dieser Thematik auseinandersetzen. Auch wenn es immer noch autokratische Führungspersonen gibt oder Einzelne, die meinen, ihr Charisma bringt andere dazu, dass sie ihnen folgen. Teamfähigkeit besteht aus vielen einzelnen Bausteinen: Kommunikation, Konflikt- oder Kritikfähigkeit – um nur einige zu nennen. Und da jeder dieser Bausteine trainier- und optimierbar ist, ist auch Teamfähigkeit als Ganzes erlernbar. Voraussetzung dafür ist lediglich die Bereitschaft, die eigene Haltung kritisch zu reflektieren und gegebenenfalls auch anzupassen.

Welche könnten die wichtigsten Regeln für eine erfolgreiche Teamführung und Teamentwicklung sein?

Aus Sicht der Teamentwicklung habe ich ja bereits einige relevante Aspekte genannt. Das auf eine allgemeingültige Checkliste herunterzubrechen, würde der Realität allerdings nicht gerecht. Dafür sind die Anforderungen an Teams in verschiedenen Kontexten einfach zu unterschiedlich. Ähnliches gilt für die Teamführung. Um sein Team zu einer guten Performance zu bringen, gibt es für eine Führungskraft sicherlich viele Wege. Aber wenn es darum geht, wirklich die letzten Reserven in einem Team zu mobilisieren, ist es unbedingt erforderlich, die Teammitglieder für das Gesamtprojekt und ihre Aufgaben zu begeistern, zu inspirieren und sie gleichzeitig auch zu ermutigen, ihre Fähigkeiten z.?B. auch in schwierigen Situationen einzubringen.

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Ist es Ihrer Ansicht nach richtig, dass sich die Ansprüche an eine erfolgreiche Führungspersönlichkeit in den letzten Jahren geändert haben – bedingt etwa durch neue Formen der Kommunikation und Knowledge-Sharing?

Die Ansprüche ändern sich ständig. Aber es sieht sehr danach aus, dass die Veränderungsrate aufgrund der zunehmenden Vernetzung und Digitalisierung in den letzten Jahren noch einmal deutlich an Fahrt aufgenommen hat. Bei modernen Formen der Kommunikation denkt man unwillkürlich an mobiles Internet, Smartphones, Tablets usw. Oder um es anders zu formulieren: ständige Verfügbarkeit und Erreichbarkeit. Daraus ergeben sich viele Potenziale, die Zusammenarbeit vereinfachen und effizienter machen können. Gleichzeitig halte ich es für wichtig, auch die Nachteile einer Dauererreichbarkeit im Auge zu behalten. Vor allen Dingen mit Blick auf zwei Themen sollte eine Führungskraft auch gezielt Nicht-Erreichbarkeit innerhalb eines verantwortbaren Rahmens fördern und fordern: Konzentration und Regeneration. 

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Das gelingt jedoch nur bei grundsätzlich wertschätzender Gesprächsführung – auch im Krititikfall. Das sind zwei wichtige Aspekte des sogenannten transformationalen Führungsstils. Zwei weitere wichtige Eckpfeiler dieses Führungsstils, sind die Vorbildfunktion der Führungskraft sowie die Fähigkeit, sich in ihrer Interaktion individuell auf die Mitarbeiter einzustellen. Diese Art der Führung stellt hohe Anforderungen an die Führungskraft. Sie muss also bereit und in der Lage sein, den dafür erforderlichen Energieaufwand tagtäglich zu leisten – aber das erwartet sie ja auch von ihren Mitarbeitern.

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„Aber wenn es darum geht, wirklich die letzten Reserven in einem Team zu mobilisieren, ist es unbedingt erforderlich, die Teammitglieder für das Gesamtprojekt und ihre Aufgaben zu begeistern, zu inspirieren und sie gleichzeitig auch zu ermutigen, ihre Fähigkeiten z.B. auch in schwierigen Situationen einzubringen.“

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Was zeichnet die Persönlichkeit eines erfolgreichen Managers aus?

Die Frage nach DER Persönlichkeit eines erfolgreichen Managers wird vermutlich genau so oft gestellt wie nach der Persönlichkeit eines erfolgreichen Sportlers. Die Wissenschaft setzt sich schon seit Jahrzehnten mit diesen Themen auseinander und kommt mehr oder weniger immer wieder zu einem ähnlichen Ergebnis: Einen Prototypen der Erfolgs-persönlichkeit gibt es nicht. Deshalb kann ich jedem Manager nur raten, bei allen Empfehlungen und Strategien zu ihrer Persönlichkeitsentwicklung nicht aus den Augen zu verlieren, dass sie vor allen Dingen sie selbst bleiben müssen und ihre Stärken pflegen sollten.

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Die FIFA WM 2014 steht vor der Tür: Haben die Nationalmannschaften der teilnehmenden Länder, wenn Sie zurückblicken, ihren eigenen Teamgeist bzw. eigene Methoden?

Ja, absolut, den gibt es. Jede Mannschaft erarbeitet, definiert und lebt ihren Teamgeist anders. Das hat gerade auf Ebene der Nationalmannschaften auch viel mit Kultur und Geschichte der Teams bzw. Länder zu tun, die sie vertreten. Von außen ist das ganz besonders bei südamerikanischen Mannschaften und ihren öffentlichen Ritualen zu beobachten.