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Erschöpft statt cool – Adidas muss wieder begeistern

Im Beitrag vom 25. August 2022 in der WirtschaftsWoche kommentiert Atreus Direktor York von Maßenbach den Creative Drain bei Adidas. Einige Auszüge aus dem Artikel:

Der vorzeitige Abgang von Chef Kasper Rorsted offenbart, dass es Adidas an Zugkraft fehlt. Ein Nachfolger muss die Sportmarke neu beleben – und schwierige Partner auf Linie bringen.

Klare Worte sind ein zentraler Teil des Geschäftsmodells von Kanye West, mal lobt der US-Rapper Donald Trump in den höchsten Tönen, mal beschimpft er Gegner auf tiefstem Niveau. Und Mitte Juni wandte er sich in einer Instagram-Nachricht persönlich an Adidas-Chef Kasper Rorsted. „An Kasper“, schrieb West in dem mittlerweile wieder gelöschten Beitrag: „Ich werde diese eklatanten Kopien nicht länger dulden.“ Der Grund für seinen Zorn: Kurz zuvor vorgestellte Adiletten sähen von ihm entworfenen Yeezy-Schlappen verblüffend ähnlich. „Dieser Schuh ist ein gefälschter Yeezy, made by Adidas“, schrieb West und beendete seine Tirade mit der Forderung nach einem Austausch unter Männern: „Kasper, komm und sprich mit mir.“

Kanye West
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„Ich werde diese eklatanten Kopien nicht länger dulden. Dieser Schuh ist ein gefälschter Yeezy, made by Adidas“

Kanye West

Dass West so auf den Adidas-Chef losging, war vor allem deshalb erstaunlich, weil die beiden eigentlich eine erfolgreiche Allianz bilden. Seit 2015 kooperiert der fränkische Sportartikelhersteller mit dem Rapper aus Chicago. Sichtbarstes Ergebnis sind die von West designten Yeezy-Sneaker. Die sind limitiert, extravagant, teuer – und ausnehmend erfolgreich. Die „New York Times“ schätzte zuletzt, dass die Yeezy-Kollektionen allein 2019 rund 1,3 Milliarden Euro umgesetzt haben.

Dass sich sein wichtigster Markenbotschafter frontal gegen ihn gewendet hat, lastet angesichts von Wests bekannter Unberechenbarkeit niemand Rorsted persönlich an. Und doch passt die Attacke des Popstars ins zunehmend besorgniserregende Bild, das sich einige Investoren und auch Aufsichtsräte zuletzt vom Adidas-Vormann gemacht haben: Dem vor allem als Zahlen- und Effizienzoptimierer bekannten Rorsted fehlt das feine Gespür für die Empfindsamkeiten der Kreativen und damit auch der Markenführung. In der Folge seien die Produkte der weltweiten Nummer zwei der Sportartikelbranche nicht mehr ganz so angesagt wie die einiger Konkurrenten. Adidas drohe deshalb im Wettbewerb empfindlich zurückzufallen.

York von Massenbach
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„Da sind sehr viele Kreative am Werk, die muss man begeistern“

York von Massenbach

Auf Jahressicht hat die Adidas-Aktie fast die Hälfte ihres Werts verloren, deutlich mehr als der ewige Rivale Nike (gut minus 20 Prozent) und der deutsche Wettbewerber Puma (minus 40 Prozent). Die gesamte Branche leidet unter den anhaltenden Coronablockaden in China, die die Umsätze dort über vier Quartale hinweg einbrechen ließen.

Beobachter sehen jedoch auch hausgemachte Probleme: „Adidas ist nach wie vor eine hochattraktive Marke, aber hat in Teilmärkten an Attraktivität verloren“, urteilt Tobias Gröber, Chef der Ispo, der weltgrößten Fachmesse für Sportartikel und -mode in München. Die Marke lebe auch über die Mitarbeiter, sagt Gröber. „Und hier hat sich in den vergangenen Jahren einiges verändert.“

„Da sind sehr viele Kreative am Werk, die muss man begeistern“, sagt auch York von Massenbach, Direktor der Managementberatung Atreus in München. Emotionen spielten zudem eine deutlich größere Rolle als in anderen Branchen.

Als sich Rorsteds Vorgänger Herbert Hainer 2016 nach 16 Jahren Amtszeit verabschiedete, gab es ein großes Fußballspiel mit „Danke, Herbert“-Trikots. Ähnlich emotional dürfte das Amtszeitende des Dänen nicht ausfallen. „Herbert Hainer haben sie damals wahnsinnig nachgetrauert“, sagt Gröber. „Der große Unterschied zu Nike war die Art, wie er die Adidas-Mitarbeiter geführt hat: nicht nur professionell, sondern auch mit Herz.“

„Keine Must-haves mehr“

Rorsted führte mehr mit Hirn, trieb Aktie und Rendite nach oben – und nahm dafür zahlreiche Abgänge in Kauf. „Adidas hat an entscheidenden Stellen viel Personal eingespart, da ging viel Kreativität verloren“, sagt ein Branchenkenner. „Das sieht auf Kosten-Seite natürlich erst einmal gut aus – aber man muss aufpassen, dass eine Marke auf diese Weise nicht austauschbar wird.“

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„Die Begehrlichkeit von Adidas ist etwas abgeflaut. Bei Innovationen traut man direkten Wettbewerbern mehr zu. Es ist auch entscheidend, dass der neue CEO den US-Markt bespielen kann. Adidas ist hier deutlich hinter Nike zurückgefallen. Auf dem reifen amerikanischen Markt ist das Aufholpotenzial wesentlich höher als im volatilen China.“

York von Massenbach

Es wäre gerade jetzt besonders wichtig, die Begehrlichkeit der Konsumenten neu zu entfachen – vor allem im Problemmarkt China, der besonders abhängig ist von Trends. „Als Yeezy, der Superstar und Drei-Streifen-Trainingsanzüge angesagt waren, ging es Adidas gut“, sagt ein Exmanager eines chinesischen Adidas-Konkurrenten: „Aber heute gibt es nichts in der Adidas-Produktlinie, was ähnlich frisch und aufregend ist.“

Die Schweizer Bank UBS urteilte in einer Analyse Ende Juli, „Adidas’ Marken-Momentum scheint sich nicht zu beschleunigen“. Der deutsche Konzern habe es nicht geschafft, „bei den Verbrauchern die nötige Aufmerksamkeit zu erlangen, um seine mehrjährige Durststrecke zu überwinden“. Handelsexperte von Massenbach stimmt zu: „Die Begehrlichkeit von Adidas ist etwas abgeflaut. Bei Innovationen traut man direkten Wettbewerbern mehr zu.“

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