Quo vadis Mitarbeiterbeurteilung?
In einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt verändern sich klassische Prozessstrukturen und Bewertungsmaßstäbe zwischen Führungskräften und Mitarbeitern. Harald Smolak, Leiter Human Resources bei Atreus, erörtert in einem Gastbeitrag für die Fachzeitschrift Arbeit und Arbeitsrecht die Trends im Personalmanagement 2018.
Quo vadis Mitarbeiterbeurteilung?
Der Arbeitsmarkt hat sich zu einem Bewerbermarkt gewandelt. Unternehmen müssen vermehrt auf die Kandidaten zugehen. Und jene, die sich gut ausgebildete Fachkräfte nennen und Führungskräftepotenzial haben, können sich aussuchen, bei welchem Arbeitgeber sie unterschreiben. Das führt zu einem Umdenken in Sachen Beurteilung von Mitarbeitern und (auch internen) Bewerbern auf Seiten der HR-Abteilung.
3. Bewertung in einer digitalisierten Arbeitswelt
Bewertungen von Mitarbeitern in hierarchieorientiertenUnternehmenskulturen erfolgten bislang primär durch die Einschätzung der jeweiligen Führungskräfte. Agile Managementmethoden wie Scrum, Design Thinking, Holocracy und virtuelle Teams, verlangen heute jedoch deutlich mehr Selbstverantwortung und eigenverantwortliches Arbeiten der Beschäftigten. Diese Umgebung verändert klassische Prozessstrukturen und erfordert neue Bewertungsmaßstäbe. Was zählt, ist nicht mehr nur die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, sondern vielmehr die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Teammitgliedern auf Augenhöhe – unabhängig von Hierarchie und Länge der Betriebszugehörigkeit. Das klassische jährliche Mitarbeitergespräch mit der Führungskraft hat also ausgedient. Dass dieses Modell funktioniert, zeigt sich immer wieder. Moderne Unternehmen haben die traditionelle Mitarbeiterbeurteilung abgeschafft. Ersetzt wird sie durch schnelle Feedbackschleifen zwischen Führungskräften, Peers und Angestellten. Die Führungskraft trifft sich dabei wöchentlich mit ihren Mitarbeitern zu einem persönlichen Dialog. Dabei geht es nicht primär um das Erreichen von Zielsetzungen, sondern um Erfahrungen in der Zusammenarbeit für den gemeinsamen Erfolg und um Themen, die für die Beziehung beider Seiten wichtig sind. Es entsteht ein intensiverer Kontakt zwischen den Parteien und vor allem das elementare Gefühl, gesehen und wahrgenommen zu werden.
Eine App für alle Devices der Mitarbeiterkommunikation erlaubt den Einblick in individuelle Ziele. Jedes Teammitglied kennt dabei die Ziele des anderen. Schnelle Feedbackschleifen können durch direktes Feedback über die App rückgemeldet werden. Das wiederum fördert die direkte Wahrnehmung und Wirkung innerhalb der Belegschaft und reduziert die einseitige Bewertung über Personen im Kreise anderer Kollegen. All dies ist ein aktiver und zudem zielführender Versuch, moderne Führungsaspekte zu leben und sie nicht nur als idealisierte Regeln auf Postern in Besprechungsräumen darzustellen.
4. Wozu Mitarbeiterbeurteilungen?
Einige Führungskräfte versuchen immer noch, ihren Mitarbeitern zu erklären, weshalb ihre Gehaltsperspektive für das Folgejahr verabschiedet worden ist und berufen sich dabei auf die bereits erbrachten Leistungen der Vergangenheit. Entsprechen die festgelegten Gehaltsaussichten und finanziellen Entwicklungsperspektiven nicht der Erwartungshaltung, liegt der Schwerpunkt einer Diskussion i. d. R. auf den Defiziten der Mitarbeiterperformance. Damit versuchen Führungskräfte, die Entscheidung zu rechtfertigen. Die positiven Aspekte der Zusammenarbeit treten dabei allerdings völlig in den Hintergrund.
Gerade deshalb haben einige Firmen das Mitarbeitergespräch längst von den Gehaltsrunden entkoppelt. Denn das wichtigste Ziel eines solchen Gesprächs sollte ein beidseitiges Lernen für eine bessere Zusammenarbeit sein. Angestrebt werden sollte ein Dialog auf Augenhöhe in einer respektvollen Atmosphäre – mit klaren zukunftsbezogenen Aussagen. Ideal läuft das Gespräch ab, wenn es durch ein ganzheitliches 360°-Feedback mit Einschätzungen von Kollegen, Teammitgliedern, Nachbarabteilungen und externen Partnern ergänzt wird. Es empfiehlt sich, diese Gesamtauswertung und Rückmeldung durch externe Feedbackgeber in einem geschützten Rahmen durchzuführen. Für den Mitarbeiter ist es enorm wertvoll, zu erfahren, wie er von anderen wahrgenommen wird.
5. Old vs. New Economy
Moderne Unternehmen nutzen die Herausforderungen der Digitalisierung durch agile Arbeitsweisen und schaffen ein ausgeprägtes Innovationsklima. Ein hoher Digitalisierungsgrad von traditionellen Bewertungsmethoden (etwa direktes Feedback und Mitarbeiterbefragungen) wird deutlich gezielter für die zukünftige Unternehmensausrichtung genutzt. Während der Fokus bei traditionellen Organisationen auf kurzfristige, operative Ziele gerichtet ist, geht es den moderneren Unternehmen viel mehr um strategische Unternehmensziele. Doch wie können ein Mehr an digitaler Kompetenz und die dafür notwendige Kultur für die Mitarbeiter eines Betriebs in die tägliche Arbeit eingebracht werden? Und was muss in der Zusammenarbeit verändert werden, damit das Unternehmen fit für den digitalen Wandel ist und noch zukunftsgewandter ausgerichtet wird? Die Antwort ist klar: Die Führung braucht dazu unbedingt die Unterstützung einer unternehmerisch denkenden Personalorganisation. Diese muss sich von ihrer klassisch-administrativen Verantwortung hin zu einem Digitalisierungsund Kulturpartner der Unternehmensführung wandeln. Sonst sind alle Ideen und Veränderungsgedanken nicht umsetzbar.
In Zeiten knapper Ressourcen von Talenten können sich Bewerber ihre Arbeitgeber aussuchen. Eine Machtverschiebung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verändert das Verhalten im Bewerbungsprozess. Ein Unternehmen muss nun Professionalität in der Gewinnung neuer Talente zeigen. In diesem Kontext sind gleich mehrere wichtige Fragen zu stellen und seriös zu beantworten: Wie gestaltet sich der Bewerberprozess von der Bewerbung bis zur Rückmeldung zur Beurteilung des Bewerbungsgesprächs? Was sagen Bewertungsplattformen wie „kununu“ über den zukünftigen Arbeitgeber? Passen diese Eindrücke zur gegenseitigen Erwartungshaltung einer guten Zusammenarbeit?
Der „Cultural Fit“ zwischen Bewerber und Unternehmen ist demnach eine der größten Hürden in der Personalgewinnung. Hinzu kommt, dass etablierte Beschäftigte, die einem Betrieb seit vielen Jahren angehören, von ihren Führungskräften genauso professionell vorbereitete Mitarbeitergespräche erwarten wie Neulinge. Genau das muss der Maßstab einer besseren Zusammenarbeit der Zukunft sein. In Bewertungsplattformen im Internet prägt eine moderne Führungskultur obendrein die Außenwirkung einer Firma. Die Unternehmenskultur muss durch die Führungskräfte also vorgelebt werden – und sollte so transparent wie möglich sein.
6. Fazit
Das Ziel von Bewertungen ist stets der Vergleich eines Ist-Zustands mit einem definierten Soll-Wert. Für eine Mitarbeiterbeurteilung definieren Führungskräfte gern Ziele nach dem Begriff „SMART“ – das heißt:
- spezifisch,
- messbar,
- anspruchsvoll,
- realistisch und
- in einem definierten Zeitraum (terminiert).
Neben den rationalen Messgrößen geht es gleichberechtigt um die Art und Weise der Zielerreichung. Teamziele durch agile Arbeitsmethoden verdrängen zunehmend den Individualerfolg von Einzelkämpfern. Das erfordert eine veränderte Haltung von Mitarbeitern und Führungskräften.
In Zeiten von Vollbeschäftigung und einem hart umkämpften Bewerbermarkt entscheidet die Bewertung von Unternehmen durch ihre Mitarbeiter immer maßgeblicher über die Arbeitgeberattraktivität. Bewertungsgespräche transformieren sich zu Feedbackschleifen, unabhängig von definierten Beurteilungsrunden. Führungskräfte sind nur noch Teil des Prozesses neben Teammitgliedern, Peers und weiteren Stakeholdern. Innovative Unternehmen vereinfachen diese Maßnahmen durch Apps in der Cloud mit Zugriff auf alle Geräte der Beschäftigten. Als wesentlicher Bestandteil einer modernen Unternehmenskultur hilft 360°-Feedback, Veränderungen in der digitalisierten Welt frühzeitig zu erkennen. Plattformen spiegeln die gelebte Unternehmenskultur für interessierte neue Arbeitnehmer und deren Fit aus Bewerbersicht wider. Damit wird die Bewertung von Arbeitskräften gleichzeitig zu einer Bewertung auf Augenhöhe mit Respekt und Wertschätzung gegenüber den maßgeblichen Schnittstellen der Zusammenarbeit in einer gelebten Unternehmenskultur.