

A·lounge Healthcare
Das deutsche Gesundheitssystem zukunftsfähig gestalten
Ein sektorübergreifender Dialog
Die Atreus A·lounge widmete sich im branchenübergreifenden Dialog der Zukunftssicherung des deutschen Gesundheitswesens.
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Sehen Sie sich das Re-Play mit den wichtigsten Erkenntnissen an:
(Bitte entschuldigen Sie den Fehler bei 02:01: Frau Dr. Wiedemann ist promovierte “Medizinerin” im Bereich Pädiatrie)



Veranstaltung
Digital via Livestream
20. Februar, 12:45 Uhr bis 14:15 Uhr
- Begrüßung und Vorstellung der Speaker
- Diskussion mit Dr. Ute Wiedemann, Mitglied des Vorstandes DAK-Gesundheit, Thomas Weigold, Country President Sandoz Germany & CEO Hexal AG, sowie Dr. Francesco de Meo, Ex-CEO Helios & Atreus Advisor
- Fragen aus dem Publikum
Thema
Die A·lounge Healthcare am 20. Februar 2025 widmete sich der Frage, wie sich das deutsche Gesundheitssystem langfristig sichern lässt. Unter Moderation der Atreus Direktoren Nils Hartmann und Nam Trung Nguyen diskutieren ausgewiesene Branchenexpertinnen und -experten, wie die unterschiedlichen Beteiligten aus Politik, Kostenträgern, Kliniken und Pharmaindustrie dabei zusammenwirken können. Im Fokus stand eine höhere Versorgungsqualität trotz begrenzter finanzieller Mittel und komplexer Strukturen.
Healthcare
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Atreus A·lounge Digital
Die wichtigsten Erkenntnisse in acht Thesen:
1. Regionale Unterschiede erfordern maßgeschneiderte Versorgungskonzepte.
Francesco de Meo erläutert, dass es in manchen Regionen Deutschlands eine hervorragende Infrastruktur gibt, während in anderen Gebieten Versorgungslücken bestehen. „Die größte Aufgabe im deutschen Gesundheitswesen ist anzuerkennen, dass wir unterschiedliche regionale Gegebenheiten haben“, sagt de Meo. Er mahnt, dass schon in naher Zukunft die Babyboomer in Rente gehen, was die sozialen Sicherungssysteme stark belasten wird. Auch deshalb brauche es flexible Konzepte für Versorgung vor Ort anstelle einer zentralen „One-size-fits-all“-Politik. Atreus Direktor Nils Hartmann ergänzt, dass diese regionalen Unterschiede im politischen Diskurs immer noch zu wenig beachtet würden – wie zuletzt im Bundestagswahlkampf 2025 zu beobachten.
2. Finanzielle Engpässe und steigende Zusatzbeiträge zeigen akuten Handlungsbedarf.
Dr. Ute Wiedemann, Vorstandsmitglied der DAK-Gesundheit, weist auf die finanzielle Schieflage hin: „Die Krankenkassen hatten 2024 ein Defizit von 6 Mrd. Euro, und gleichzeitig ist der Zusatzbeitragssatz um 1,1 Prozent gestiegen. Das belastet die Haushalte.“ Sie spricht von einem „Mismatch zwischen Qualität und finanziellem Aufwand“, den auch OECD-Studien nahelegen. Francesco de Meo betont, dass der politische Wille zu echten Reformen oft fehle: „Wenn wir das Problem jetzt nicht angehen, werden wir dafür spätestens bei der Wahl 2029 die Quittung bekommen.“ Auch in einer Blitzumfrage unter den Teilnehmenden sehen 45 % steigende Kosten als das drängendste Problem des Gesundheitssystems.
3. Generika und Grundversorgung brauchen dringend Reformen, um Medikamentenengpässe zu vermeiden.
Thomas Weigold, Country President Sandoz Germany und CEO der Hexal AG, sagt: „In vielerlei Hinsicht ist die Lage alarmierend. Wir schauen in die Pharmaindustrie oft mit einem One-size-fits-all-Ansatz. Das passt nicht.“ Er nennt das Beispiel Generika, die in Deutschland nur 7 % des Arzneimittelbedarfs ausmachen, während es in Europa insgesamt rund 30 % sind. Dies führe zu Engpässen und einer zunehmenden Abhängigkeit von asiatischen Märkten. „Wenn wir hier nichts ändern, bekommen wir immer mehr Engpässe“, so Weigold. Um die Grundversorgung zu sichern, sei eine Reform der Preisgestaltung und Produktionsstrukturen notwendig. Ohne diese Veränderungen werde die Verfügbarkeit lebenswichtiger Medikamente weiter sinken.
4. Wir sind mit der ePA zehn bis zwölf Jahre zu spät dran.
Die Expertinnen und Experten sehen in der Digitalisierung eine große Chance für das Gesundheitssystem, weisen aber auf deutliche Versäumnisse hin. Ute Wiedemann bringt ein Beispiel: Für die Erhöhung der Zusatzbeiträge mussten die Krankenkassen 70 Mio. Briefe postalisch verschicken. Francesco de Meo kritisiert zudem, dass viele digitale Projekte über Jahre verschleppt wurden: „Wir sind mit der elektronischen Patientenakte zehn bis zwölf Jahre zu spät. Woanders ist das längst selbstverständlich.“ Dabei könnten Doppeluntersuchungen und Bürokratie massiv reduziert werden, wenn beispielsweise Daten zentral verfügbar wären.

„Wir debattieren endlos über Gefahren, statt endlich Lösungen zu schaffen.“
5. Bürokratie und typisch deutsche Datenschutzbedenken bremsen die Digitalisierung stark aus.
Thomas Weigold hebt hervor, wie ein pragmatischer Digitalansatz aussehen könnte: „Ein QR-Code auf dem Medikament, ein kurzer Clip zur Indikation und Anwendung – schon ersparen wir viele Rückfragen und teure Fehlverwendungen.“ So ließe sich auch das Problem lösen, dass zahlreiche verschriebene Medikamente einfach im Müll landen. De Meo warnt zudem vor typisch deutschen Debatten über Datenschutz: „Wir debattieren endlos über Gefahren, statt endlich Lösungen zu schaffen.“ Digitalisierung sei überdies kein IT-Projekt, sondern ein Kulturwandel. Im aktuellen System werde aber zu viel Energie auf Einwände und zu wenig auf zügige Implementierung verwendet. Die Umfrage unter den Teilnehmenden der A·lounge zeigt: 62 % fordern weniger Bürokratie und mehr Unternehmertum im Gesundheitssystem.
6. Statt Stückwerk braucht es eine umfassende Systemreform, um Geld effizienter einzusetzen.
Auf Nils Hartmanns Frage, wo finanzielle Mittel unproduktiv versickerten, nennt De Meo „viele Fehlanreize“, die nicht am tatsächlichen Versorgungsbedarf ausgerichtet seien. Er fordert daher eine radikale Neuordnung des Gesundheitswesens. Ute Wiedemann verweist auf das Sozialgesetzbuch, in dem die vertikale Segmentierung verankert ist: „Wir haben klare Sektoren, aber kaum interdisziplinäre Strukturen. Das alles erschwert Kooperationen.“ Die Experten fordern eine grundlegende Reform, die Kooperation und integrierte Versorgung fördert, anstatt bestehende Strukturen mit immer neuen Einzelmaßnahmen zu verkomplizieren.
7. Internationale Best Practices können Deutschland als Vorbild dienen.
Ute Wiedemann erzählt von Best Practices aus Maryland in den USA, wo Kliniken feste Budgets bekommen und so starke Anreize zur Prävention geschaffen werden: „Das reicht von Kochkursen bis zur häuslichen Medikamentenzustellung mit dem Uber.“ Auch Norwegen, Finnland und Spanien zeigen, wie durch regionale Netzwerke und Telemedizin eine effizientere Gesundheitsversorgung möglich ist. Thomas Weigold ergänzt: „Wir denken oft, wir seien in allem Weltmeister, schauen aber kaum über den Tellerrand. Andere Länder machen längst vor, wie man mit digitalen Lösungen effizienter werden kann.“ Auch eine Live-Umfrage während der Veranstaltung zeigt: 70 % der Teilnehmenden betrachten die Digitalisierung des Gesundheitssystems und eine verpflichtende elektronische Patientenakte als dringendste Reform.
8. „Einfach machen“: Ein anderes Mindset und mehr Eigenverantwortung sind Schlüssel für echte Veränderung.
In der Diskussion zeigen sich alle überzeugt, dass das Festhalten an Status quo und Silos nur den Reformstau verlängert. Nam Trung Nguyen zitiert zahlreiche Fragen aus dem Chat, in denen die Teilnehmenden nach konkreten Startpunkten für die Umsetzung fragen. De Meo findet klare Worte: „Wir warten immer auf irgendwelche Zentralentscheidungen. Dabei könnte man regional schon viel ausprobieren. Eine neue Bundesregierung sollte den Mut haben, uns Freiräume zu geben, statt noch mehr Vorschriften einzuführen.“ Dr. Ute Wiedemann betont, dass man in einer Finanz- und Personalkrise gezwungen sei, effizienter zu werden: „Gerade jetzt ist die richtige Zeit, Ballast abzuwerfen und mit innovativen Ideen zu beginnen.“
Unsere Experten und Diskutanten

Dr. Ute Wiedemann verfügt über umfangreiche Erfahrung in den Bereichen Gesundheitswesen, Management und Unternehmensführung.
Nach einem Studium der Humanmedizin und einer Promotion als Medizinerin im Fachgebiet Pädiatrie erwarb sie einen MBA in International Healthcare Management. Ihre berufliche Laufbahn begann sie als Unternehmerin im Energiesektor (1998–2011), bevor sie über ein Jahrzehnt verschiedene Managementpositionen in privaten Krankenhäusern, Reha- und Pflegeeinrichtungen sowie ambulanten Versorgungszentren innehatte. Zuletzt war sie in der Geschäftsführung der Klinikgruppe MEDICLIN tätig.
Seit dem 1. März 2022 ist Dr. Wiedemann Mitglied des Vorstandes der DAK-Gesundheit. Sie verantwortet dort die Geschäftsbereiche Markt (u. a. Firmenkundenbetreuung und Betriebliches Gesundheitsmanagement), Personal und Organisation, IT und Infrastruktur sowie den Stabsbereich Strategisches Marketing.

Thomas Weigold bringt über mehr als 30 Jahre internationale Erfahrung in der Pharma- und Gesundheitsbranche mit und war in globalen, regionalen und nationalen Führungspositionen in den USA, Europa und den Emerging Markets (EM) erfolgreich tätig.
Seine Expertise umfasst die Leitung großer Organisationen, die Entwicklung globaler Strategien für Krankheitsbereiche und die Einführung innovativer Lösungen in verschiedenen Regionen. Mit seiner Leidenschaft für die Entwicklung von Kultur, Talenten und Partnerschaften hat er bedeutende Beiträge zur Transformation von Unternehmen geleistet.
Nach Stationen bei Roche und Novartis, wo er unter anderem als Worldwide Franchise Head Solid Tumor und Region Head Asia-Pacific & South Africa Oncology tätig war, ist er seit Januar 2023 Country President Sandoz Germany und CEO der Hexal AG. In dieser Funktion ist er Mitglied des Global Sandoz Leadership Teams und verantwortlich für die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens.

Dr. Francesco De Meo kann auf eine beeindruckende Karriere im Gesundheitssektor zurückblicken und hat maßgeblich zu dessen Entwicklung und Transformation beigetragen.
Nach Jurastudium und Promotion begann er seine berufliche Laufbahn als Rechtsanwalt und Geschäftsführer in der Unternehmensberatung. Im Jahr 2000 wechselte er zum Start-up-Unternehmen Helios, das er in den folgenden zwei Jahrzehnten zur führenden privaten Klinikgruppe Europas ausbaute. Von 2008 bis 2023 leitete er Helios als CEO und war gleichzeitig Vorstandsmitglied des im DAX notierten Gesundheitskonzerns Fresenius.
Mit Erreichen des 60. Lebensjahres schied Dr. De Meo aus dem Unternehmen aus und widmet sich seither der Beratung von Start-ups im Gesundheitswesen sowie der Begleitung globaler Transformationsprojekte. Sein einzigartiger Erfahrungsschatz macht ihn zu einem gefragten Experten für Innovation und Wandel in der Branche.