

A·lounge Automotive & Mobility
Restrukturierung in der Automobilindustrie
Ursachen, vorbeugende Maßnahmen und rechtliche Hürden im Insolvenzfall
Die Atreus A·lounge Automotive Mobility am 28. Februar 2025 befasste sich mit einer Schicksalsfrage der deutschen Wirtschaft: Wie kommt die Automobilindustrie wieder auf Kurs? Unter Moderation von Stefan Randak und Petra Becker diskutieren Kenner:innen und Praktiker:innen der Branche über die Ursachen dieser Entwicklung, präventive Maßnahmen sowie die konkreten Handlungsfelder und Erfolgsfaktoren im Fall einer (drohenden) Insolvenz.
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Veranstaltung
Digital via Livestream
28. Februar, 12:30 Uhr bis 14:00 Uhr
- Begrüßung und Vorstellung der Speaker
- Diskussion mit Joachim Herr, Journalist Börsen-Zeitung, Bernd Richter, Geschäftsführer und Partner Pluta Rechtsanwalts- und Managementgesellschaft, sowie Günter Kiefer, Atreus Manager
- Fragen aus dem Publikum
Thema
Große Hersteller wie Volkswagen und Nissan aber auch führende Zulieferer wie ZF und Bosch sind im Begriff, im Rahmen der aktuellen Herausforderungen tausende Stellen abzubauen. Mittelständische Unternehmen stehen dabei häufig vor noch größeren Hürden: Während einige wie Schneider Automotive oder Leoni übernommen werden, rutschen andere wie WKW und Eissmann in die Insolvenz.
Unter der Moderation von Stefan Randak, Leiter der Atreus Solution Group Automotive & Mobility, diskutieren die namhaften Experten und Brancheninsider zentrale Fragestellungen zu diesem Wandel:
- Woher kommt die Schieflage in der Zulieferindustrie?
- Welche Maßnahmen können Unternehmen vorbeugend ergreifen?
- Drohende Insolvenz – was ist zu beachten?
- Insolvenz in Eigenregie – wie erfolgt die Abwicklung in der Praxis?
Automotive und Mobility
Unternehmen durch schwere Zeiten zu führen, erfordert sturmerprobte Profis mit Power und Fingerspitzengefühl.
Wir unterstützen Sie bei Herausforderungen im Bereich Automotive:
Atreus Roundtable Digital
Die wichtigsten Erkenntnisse in acht Thesen:
1. Die deutsche Automobilindustrie hat den Markt in China unterschätzt.
Joachim Herr, Korrespondent der Börsen-Zeitung in München, macht deutlich, dass China der mit Abstand wichtigste Automobilmarkt der Welt ist – und gleichzeitig die größte Herausforderung für deutsche Hersteller darstellt. „In China geht es längst nicht mehr um ein paar PS mehr oder weniger. Die Kunden dort erwarten spezielle Features, Software-Integration und Komfortfunktionen wie Karaoke-Systeme.“ Viele deutsche Hersteller erzielen in China zwischen 30 und 40 Prozent ihrer Absätze. Doch sie leiden unter der wirtschaftlichen Abschwächung in China – insbesondere der Immobilienkrise – und unter sinkenden Verkaufszahlen. Die Absatz-, Umsatz- und EBIT-Rückgänge sind ein klares Signal: Die deutschen Hersteller haben sich zu sehr auf frühere Erfolge verlassen und es versäumt, sich den neuen Kundenerwartungen anzupassen.
2. Die Unsicherheit über Verbrenner- und E-Mobilität schadet der Branche.
Die deutschen Hersteller kämpfen auch mit der Unsicherheit über die Zukunft des Verbrennungsmotors. „Das Verbrenner-Aus der EU ab 2035 steht auf der Kippe, doch für die Hersteller bedeutet die parallele Produktion von Verbrennern und E-Autos enorme Mehrkosten. Diese zweigleisige Strategie belastet die gesamte Branche“, so Joachim Herr. Während in China staatliche Kaufanreize für Elektroautos den Markt treiben, fehlen in Deutschland nach der plötzlichen Streichung der Förderungen Ende 2023 vergleichbare Impulse. „Jeden Monat verlieren deutsche Hersteller einen Prozentpunkt Marktanteil – und das ist erst der Anfang“, warnt Atreus Partner Stefan Randak.
3. Hersteller und Zulieferer müssen jetzt handeln: Kapazitäten anpassen, Prozesse optimieren, Kosten reduzieren.
Die Experten waren sich einig: Deutsche Automobilunternehmen müssen jetzt reagieren, um sich für die Zukunft zu rüsten. Atreus Direktorin Petra Becker skizziert die vier zentralen Handlungsfelder:
- Kapazität: Produktionskapazitäten anpassen, Werke schließen oder verlagern
- Prozesse: Effizienz steigern durch Standardisierung, Digitalisierung und Lean-Management
- Kosten: Personalausgaben, Lagerhaltung und Lieferantenverträge optimieren
- Liquidität: Factoring, Sale-and-Lease-Back-Modelle und enge Abstimmung mit Banken sichern die finanzielle Stabilität
4. Automobilunternehmen müssen sich selbst permanent auf den Prüfstand stellen.
„Jedes Unternehmen sollte sich permanent einem Fitnessprogramm unterziehen“, sagt Atreus Direktorin Petra Becker. Die Frage sollte lauten: Wie schlank, flexibel und digital sind wir wirklich? Besonders in der Supply Chain braucht es eine robuste, aber gleichzeitig agile Strategie – denn die Zeiten stabiler globaler Lieferketten sind vorbei und Unternehmen müssen sich auf alternative Bezugsquellen und regionale Produktion vorbereiten. Gerade Zulieferer, die stark von einzelnen Kunden abhängig sind, müssen dringend ihre Strategie überdenken. Zudem, sagt Becker, sollten sich die Hersteller auf ihre Core-Aktivitäten konzentrieren.

Whitepaper Restrukturierung in der Automobilindustrie
Mehr zu den Maßnahmen für deutsche Automobilhersteller und -zulieferer finden Sie im aktuellen Atreus Whitepaper:
5. Bürokratische Hürden und hohe Produktionskosten gefährden den Automobilstandort Deutschland.
Die Produktionskosten in Deutschland sind nicht mehr wettbewerbsfähig. Börsen-Zeitung-Journalist Joachim Herr beobachtet, dass viele Unternehmen zunehmend ihre Standorte in Deutschland infrage stellen. „Mercedes verlagert Teile der Produktion nach Ungarn, weil dort die Fertigungskosten 70 Prozent niedriger sind als in Deutschland.“ Auch bürokratische Hürden belasten die Automobilbranche. „Viele Mittelständler verzweifeln an regulatorischen Vorgaben, die ihren wirtschaftlichen Handlungsspielraum einschränken“, so Herr. Auch eine ausbaufähige Ladeinfrastruktur und die sogenannte Reichweitenangst bleiben Hemmnisse.
6. Insolvenz muss kein Untergang sein – eine strategische Restrukturierung kann Unternehmen retten.
Bernd Richter, Wirtschaftsprüfer und Managing Partner der PLUTA Rechtsanwalts GmbH, macht deutlich, dass über 90 Prozent aller Insolvenzen in Deutschland durch Zahlungsunfähigkeit ausgelöst werden. Eine Daumenregel: „Wenn in der Kasse 100 Euro sind, aber Verbindlichkeiten von 110 Euro fällig werden, dann ist die rote Linie überschritten. Ab diesem Punkt hat das Unternehmen nur drei Wochen Zeit, eine Lösung zu finden – oder es muss Insolvenz anmelden.“ Viele Unternehmen reagieren in dieser kritischen Phase zu spät. Besonders gefährlich sei die sogenannte „Twilight Zone“: ein Zeitraum, in dem Geschäftsführer bereits wissen, dass ihr Unternehmen insolvent ist, aber zögern, Insolvenz anzumelden. „In dieser Phase drohen persönliche Haftungsrisiken. Wer zu spät handelt, riskiert Insolvenzverschleppung“, warnt Richter.
7. Die Rolle des CRO als Krisenlotse ist entscheidend.
In Restrukturierungsprozessen oder Insolvenzen ist der Chief Restructuring Officer (CRO) oft der entscheidende Faktor für eine erfolgreiche Sanierung. Günter Kiefer, erfahrener CRO, beschreibt die Herausforderungen: „Wenn eine Insolvenz öffentlich wird, bricht oft Panik aus. Mitarbeiter sind verunsichert, Kunden und Lieferanten skeptisch – und die Geschäftsführung ist häufig überfordert.“ Hier kommt der CRO ins Spiel: Als erfahrener, neutraler Krisenmanager übernimmt er bei einer Insolvenz zum Beispiel die Koordination zwischen Gläubigerausschuss, Sachwalter, Geschäftsführung, Investoren, Mitarbeitern und Betriebsräten. „Der CRO sorgt für Transparenz, klare Kommunikation und schnelle Entscheidungen. Das ist essenziell, um Vertrauen zu erhalten und das Unternehmen handlungsfähig zu halten“, beschreibt Kiefer.
8. Wer zu spät handelt, verliert die Kontrolle – frühzeitige Restrukturierung ist entscheidend.
Der wichtigste Erfolgsfaktor für eine erfolgreiche Restrukturierung ist ein frühzeitiges Handeln. Viele Unternehmen ignorieren erste Anzeichen der Krise zu lange. „Wer frühzeitig mit Banken, Investoren und Stakeholdern spricht, kann eine Insolvenz oft verhindern oder aktiv steuern“, betont Bernd Richter. Entscheidend ist, sich nicht in Einzelmaßnahmen zu verlieren, sondern eine klare Strategie zu entwickeln – und diese konsequent umzusetzen.
Unsere Experten und Diskutanten

Joachim Herr ist seit vielen Jahren als Journalist tätig und arbeitet für die international renommierte Börsen-Zeitung. In der Süddeutschland-Redaktion des Magazins befasst er sich seit Jahren mit der Automobilindustrie und hat dazu zahlreiche einschlägige und viel beachtete Beiträge veröffentlicht.

Bernd Richter ist Geschäftsführer, Partner, WP und Steuerberater bei der bekannten Münchner Rechtsanwaltskanzlei PLUTA. Er berät mittelständische Unternehmen in Sondersituationen. Sein Schwerpunkt liegt in der vorinsolvenzlichen Restrukturierungsberatung sowie bei M&A-Transaktionen. Durch zahlreiche einschlägige Projekte hat Bernd Richter zudem großes Know-how in der Automobilbranche.

Günter Kiefer ist ein erfahrener CEO und CRO. Er begleitet unter anderem Unternehmen bei der Insolvenz in Eigenverwaltung. So war er 2019/2020 als Interim CRO für den renommierten Automobilzulieferer Weber Automotive in der Insolvenz in Eigenverwaltung tätig.